Unsere Sonne - ein aktiver Stern
Seit der Erfindung des Fernrohrs zu Beginn des 17. Jahrhunders hat sich unser mehr oder weniger beschauliches, alltägliches Bild von der Sonne als einer gleissend hellen, unveränderlichen Feuerkugel grundlegend gewandelt: in der untersten Atmosphärenschicht wurden riesige Sonnenflecken entdeckt, welche sich als Ein- und Austrittspunkte von starken Magnetfeldern entpuppten, deren Feldlinien sich aus dem Sonneninnern in majestätischen Bögen bis in die äussersten Schichten der Sonnenatmosphäre erstrecken. Oft drängen sich dutzende, manchmal sogar hunderte der dunklen Sonnenflecken zu ausgedehnten Aktivitätsgebieten zusammen, welche von hellen Fackelfeldern (Plages) und filigranen Filamenten (Protuberanzen) begleitet werden. Hin und wieder rekombinieren nahestehende Magnetfeldlinien miteinander und geben in blitzähnlichen Eruptionen (Flares) ihre gespeicherte Energie frei. Dabei wird gelegentlich auch mit Magnetfeldern durchsetztes Plasma der umgebenden Sonnenatmosphäre so stark beschleunigt, dass es die Sonne in Form eines Masseauswurfs verlassen kann. Dieses kann nach einer mehrtägigen Reise auch die Erde treffen und dort erdmagnetische Stürme auslösen.
Langfristige Überwachung der Sonnenaktivität
Der Zustand der Sonnenatmosphäre ändert sich ständig: kein Tag, keine Stunde, ohne dass sich neue Aktivitätsgebiete bilden oder alte zerfallen. Diese kurzfristigen Veränderungen nennt man Sonnenwetter. Langfristig ändert sich das Sonnenwetter in einem quasiperiodischen Aktivitätszyklus von rund 11 Jahren Länge, doch unterscheiden sich die Aktivitätsverläufe von Zyklus zu Zyklus beträchtlich und in bisher unvorhersagbarer Weise. Die langfristige Überwachung der Sonnenaktivität ist daher für die kurz- und mittelfristige Prognose der Sonnenaktivität sowie für die Erforschung der heliophysikalischen Prozesse von grundlegender Bedeutung. Sie umfasst die möglichst lückenlose und langfristig homogene Dokumentation der verschiedenen Aktivitätsphänomene sowie die Berechnung von geeigneten Aktivitätsindices.
Beobachtungsprogramme des Sonnenturms Uecht
Der Sonnenturm Uecht beteiligt sich gegenwärtig an zwei Beobachtungsprogrammen zur langfristigen Überwachung der Sonnenaktivität. Die besondere Herausforderung dieser Programme ist deren tägliche Umsetzung und die über Jahrzehnte hinweg möglichst homogene Qualität der Messresultate. Da der Sonnenturm Uecht über kein flexibel einsetzbares Personal verfügt, welches die täglichen Beobachtungsprogramme vor Ort durchführt, erfolgen diese weitestgehend automatisch. Dies heisst, dass ein Hintergrundprozess auf einem lokalen Rechner des Sonnenturms Uecht läuft, welcher bei günstigen Witterungsbedingungen die Beobachtungsstation hochfährt, die Kuppel öffnet, die Instrumente auf die Sonne ausrichtet, die Sonnenbilder fokussiert, die gewünschten Sequenzen der Sonnen- und Kalibrierbilder aufnimmt und anschliessend die Beobachtungsstation wieder herunterfährt. Die (Vor)verarbeitung der Rohbilder und die Bestimmung der Aktivitätsindices erfolgt nach erfolgreicher Akquisition einer vollständigen Bildsequenz ebenfalls automatisch.
Beobachtungsprogramme zur langfristigen Überwachung der Sonnenaktivität
- Tägliche Dokumentation der Sonnenphotosphäre im weissen Licht bei 540 nm Wellenänge.
- Tägliche Dokumentation der unteren Sonnenchromosphäre in Ca II K bei 393.4 nm Wellenlänge.
- Beobachtungsprogramme zur robotischen Astrofotografie
- Astrofotografie in LRGB und H-alpha
- Transitbeobachtungen von Exoplaneten
- Grossfeld Astrofotografie
- All Sky Videobeobachtung von Meteoren
Umsetzung
- In einer ersten Phase werden mittels handelsüblichen Komponenten die einzelnen Instrumente zusammengestellt, wobei besonderes Augenmerk auf das reibungslose, anforderungskonforme Zusammenspiel der Teilkomponenten (Optik, Okularauszüge, Filterräder, Kameras, Steuerungssoftware, Automation) gelegt wird.
- In einer zweiten Phase werden die notwendigen Ergänzungen und Anpassungen für die automatische Bildakquisition realisiert. Notwendige Eigenentwicklungen sind:
- Ansteuerung der Sonne, Nachführung, Fokussierung, Wetterbeobachtung
- Automatische Akquisition und (Vor)verarbeitung der digitalen Rohbilder
- In einer dritten Phase werden die notwendigen Ergänzungen und Anpassungen für die automatische Bildanalyse realisiert. Notwendige Eigenentwicklungen sind:
- Automatische Objekterkennung und Kenngrössenbestimmung (Position, Fläche, Helligkeit) solarer Phänomene (Flecken und Fackeln)
Stand der Arbeiten
- Die Integration der Instrumente und Zusatzgeräte ist weit fortgeschritten und konnte im Winter 2010 zu einem ersten Abschluss gebracht werden. Am 1. Januar 2011 wurde mit dem versuchsweisen Routinebetrieb zur Überwachung der Sonnenaktivität vor Ort begonnen, welcher bis am 31. Dezember 2012 an total 219 Tagen - also während rund 30% der möglichen Tage! - erfolgreich durchgeführt werden konnte. Die während dem versuchsweisen täglichen Routinebetrieb erkannten Integrationsprobleme wurden gründlich analysiert und gelöst. Seit dem Frühjahr 2014 werden die beiden Sonnenteleskope überwiegend ferngesteuert betrieben. Dies hat zu einer merklichen Zunahme der vorhandenen Bilddokumente geführt.
- In der automatischen Fernbedienung der Montierung sowie der Instrumente und Zusatzgeräte konnten erste Erfolge verzeichnet werden, so dass nach dem nunmehr erfolgten Upgrade der Montierung voraussichtlich im Winter 2015 mit dem automatischen Betrieb der Nachtinstrumente begonnen werden kann. Die Eigenentwicklungen für die automatische Sonnenüberwachung - insbesondere die automatische Fokussierung des Sonnenbildes - dauern voraussichtlich etwas länger und sollen bis im Herbst 2016 abgeschlossen werden.